„Das Wichtigste in meinem Leben ist meine Familie“

Kein alpines Wintersportereignis ohne Felix Neureuther. Das war über viele Jahre hinweg ein ungeschriebenes Gesetz im Wintersport. Mit 13 Weltcupsiegen ist Felix Neureuther der erfolgreichste deutsche alpine Skifahrer, hat Siege gefeiert und Niederlagen erlebt, hat sich nach zahlreichen Verletzungen immer wieder an die Weltspitze zurückgekämpft. Diesen Biss hat der Garmisch-Partenkirchener auch nach seinem im Frühjahr 2019 verkündeten Karriereende als aktiver Skirennläufer in den Disziplinen Slalom und Riesenslalom nicht verloren. Als Sportexperte steht er nun neben der Piste, begeistert Kids in Mitmach-Videos für Bewegung und Sport, schreibt Bücher und widmet sich dem Wichtigsten in seinem Leben, seiner Familie.

Felix Neureuther ist kein Morgenmuffel. Im Gegenteil. Auch wenn das Frühstück nur aus einer Banane besteht, er sich um kurz nach Sieben schon auf dem Weg zum Münchner Flughafen befindet und für ein Gespräch nur eine halbe Stunde Zeit hat, ist er gut gelaunt und erzählfreudig.

RRM: Herr Neureuther, jetzt sind Sie schon seit fast zwei Jahren raus aus dem aktiven Profisport. Wie fühlt sich das an?
 
Felix Neureuther: Gut fühlt sich das an, sehr gut sogar. Ich habe viele Jahre nur für den sportlichen Erfolg gelebt und hatte immer den Ehrgeiz, der beste Slalomfahrer der Welt zu werden. Irgendwann sagt einem der Körper dann schon, wenn Schluss ist. So ist das im Berufsleben. Wenn man das Glück hat, selbst zu entscheiden, wann und wie ein neuer Lebensabschnitt beginnt, so wie das bei mir der Fall war, dann ist alles gut. Ich hatte einen wahnsinnig schönen Abschied, denke gerne an die Zeit zurück, aber vor allem schaue ich nach vorne. Es gibt Schlimmeres, als mit dem Sport aufzuhören und ich habe danach keine Sinnkrise durchgemacht.
 
RRM: Hängt das mit Ihren neuen Aufgaben zusammen?
 
Felix Neureuther: Ja, auch. Ich habe total spannende Aufgaben, die mich vielseitig fordern. Aber an erster Stelle stehen für mich nicht berufliche Aktivitäten, sondern meine Familie. Sie ist für mich das Wichtigste im Leben und dann kommt lange nichts. Miriam (seine Ehefrau, Anmerk. d. Red.) und ich gehen total in unserer Elternrolle auf. Zum ersten Mal war ich aufgrund des Corona-Lockdowns zehn Wochen am Stück zu Hause – das gab`s noch nie und es war Gold wert für die Familie. Ich habe die Zeit unglaublich genossen. Auch wenn ich unterwegs bin, nehme ich viel in Kauf, um abends zum Gute-Nacht-Sagen wieder zu Hause zu sein.

Foto: DSLV.

RRM: Wann können wir Sie in der ARD denn wieder als Experte für den alpinen Ski-Weltcup erleben?
 
Felix Neureuther: Saisonstart ist Ende Oktober in Sölden, wenn uns Corona keinen Strich durch die Rechnung macht. Ich freu‘ mich sehr darauf, den Zuschauern die Faszination des Skisports nahezubringen und habe noch so viele Kontakte zum Skizirkus und Freunde, die ich dann wiedersehen kann.
 
RRM: Ihr Vater Christian Neureuther war ebenfalls Experte im alpinen Skisport, was ihm zu Hause  den Spitznamen „Sonntagsmaler“ einbrachte? Was hatte es damit auf sich?

Felix Neureuther: Mein Vater wollte für die Zuschauer technische Details plausibel darstellen. Damals war er der erste, der die Fahrspuren der Skifahrer auf einem Tablet nachgezeichnet und dann übereinander gelegt hat, um die Unterschiede zu verdeutlichen. In der Fußballberichterstattung wurde das dann mit Linien im Abseits u.s.w. übernommen. Das hat ihm von meiner Schwester Ameli und mir den Spitznamen „Sonntagsmaler“ eingebracht.

RRM: Fußball ist ein schönes Stichwort. Stimmt es, dass Sie mit Bastian Schweinsteiger seit Kindheitstagen befreundet sind?
 
Felix Neureuther: Ja, das ist richtig. Lustigerweise haben wir uns beim Skifahren kennengelernt. Mein allererstes Skirennen mit knapp drei Jahren, habe ich gewonnen, wie mir meine Eltern erzählt haben. Ich selber kann mich nicht daran erinnern. Gewonnen habe ich deshalb, weil ich in meiner Altersklasse als Einziger angetreten bin. Das war der Beginn meiner Karriere (lacht herzlich)! Mit sieben bin ich dann auf Basti gestoßen. Der war echt gut und hat mich bei Kinder- und Jugendskirennen sogar ein paarmal besiegt. Er konnte aber noch besser Fußball spielen. Deshalb hat er dort Karriere gemacht und ich beim Skifahren. Ich habe auch alles an Sport gemacht, was geboten wurde, weil ich von Klein auf sehr bewegungsfreudig war. Fußballerisch reicht`s bei mir heute gerade noch für die Altherrenmannschaft des 1. FC Garmisch-Partenkirchen …

Foto: Jack Wolfskin.

RRM: Haben Ihre Kinder die sportlichen Gene ihrer Eltern geerbt?

Felix Neureuther: Der Max ist ja gerade mal 8 Monate alt, da ist Sport noch kein Thema. Aber unsere Matilda ist jetzt knapp drei und natürlich stand sie schon auf Skiern. Wir hatten eine Mordsgaudi dabei. Aber das ist in unserer Region ganz normal, dass die Kinder, sobald sie stabil auf den Füßen stehen, mit dem Skifahren beginnen. Es geht dabei nicht um Leistung, sondern um den Spaß an Bewegung, der leider bei vielen Kindern zu kurz kommt. Deshalb habe ich unter anderem zusammen mit der TU München das Projekt „Beweg dich schlau! Mit Felix Neureuther“ entwickelt, das sich an Kitas und Grundschulen richtet. Zusammen mit dem Basti (Schweinsteiger. Anmmerkung d. Red.) ist heuer außerdem das sportliche Abenteuerbuch Ixi – das vierte einer Reihe – herausgekommen.

Bild: Jack Wolfskin

RRM: Was sagen Sie als begeisteter (Winter-) Sportler zu den ökologischen Folgen für die Natur?

Felix Neureuther: Ich bin Sommer wie Winter draußen in der Natur und liebe das Leben draußen. Skipisten haben wir genug und neue Skigebiete braucht kein Mensch. Jeder, der sich in der Natur bewegt, muss verantwortlich mit ihr umgehen. Wenn ich sehe, wie meine Heimat gerade überrollt wird von Menschen, die verständlicherweise Erholung in der Natur suchen, kann ich nur an deren Vernunft appellieren: Nehmt Euren Müll wieder mit und haltet euch an die Regeln. Es tut mir im Herzen weh, wenn ich sehe, wie unsere Natur geschunden wird.

RRM: Naturschutz und Nachhaltigkeit. Das predigen Sie nicht nur, das leben Sie auch. Sie haben in Ihrem neuen Haus eine Eisheizung. Das hat es damit auf sich? 

Felix Neureuther: Wir haben ein klimaneutrales Haus unter anderem mit Photovoltaikanlage auf dem Dach gebaut. Ein Klimaberater hat uns auf die Eisheizung aufmerksam gemacht und wenn ich mich nicht irre, sind wir der erste Privathaushalt, der eine installiert hat. Sogar meine Eltern im Nebenhaus sind daran angeschlossen und begeistert. Ohne zu weit ausholen zu wollen, funktioniert die Technik so, dass wir im Garten einen Eisspeicher haben, der mit Wasser gefüllt ist. Eine Wärmepumpe entzieht dem Wasser die Wärme zum Heizen und fürs Warmwasser. Das geht so lange, bis das Wasser im Speicher gefriert. Danach wird umgekehrt wieder Energie für den Auftauvorgang benötigt. Der kommt von der Photovoltaik auf dem Dach. Und im Sommer kann man das Haus mittels dieses Systems kühlen.

RRM: Zum Schluss noch einmal kurz zurück zum Skifahren. Wurmt es Sie, dass in Ihrer Sammlung eine Olympische Medaille fehlt und können Sie neueren olympischen Disziplinen wie etwa Buckelpistenrennen etwas abgewinnen?

Felix Neureuther: Mei, ich hab´s ja versucht mit Olympia und es hat halt nicht geklappt. Das kann ich verschmerzen und es gehört zu meiner Geschichte dazu. Andere Disziplinen finde ich klasse, ich schaue gerne zu. Grundsätzlich darf man die Olympischen Spiele meiner Ansicht nach nicht überreizen. Sie sind einzigartig. Medaillen wie am Fließband zu verteilen, wertet sie ab – und das wäre sehr, sehr schade!

Foto: Jack Wolfskin

Kurzportrait Felix Neureuther
 
• Geboren am 26.03.1984 in München zweites Kind der einstigen Skirennläuferin Rosi Mittermaier-Neureuther – „Gold-Rosi“ – und dem Ex-Skirennläufer Christian Neureuther. Er hat eine ältere Schwester Ameli.
• Lebt mit seiner Familie in Garmisch-Partenkirchen.
• Verheiratet mit der ehemaligen Biathletin Miriam Neureuther ( geb. Gössner).
• Vater zweier Kinder: Matilda, geb. im Oktober 2020 und Sohn Max, geb. im Februar 2020.
• Während seiner aktiven Skirennläufer-Karriere im Slalom und Riesenslalom waren seine größten Erfolge: 9 x Deutscher Meister / 7 x Deutscher Jugendmeister / 13 Weltcupsiege / WM 2005: Gold Mannschaft / WM 2013: Silber Slalom, Bronze Mannschaft / WM 2015: Bronze Slalom / WM 2017: Bronze Slalom
• März 2019: Beendigung der Karriere als Skirennläufer
• Seit Wintersaison2019/2020 Sportexperte bei ARD und BR.
• Präsenz im Hörfunk und in den Sozialen Medien, Buchautor, Testimonial.
• Projekt „Beweg dich schlau!“, realisiert durch die Felix Neureuther Stiftung u. v. m.

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