„Ich liebe es einfach zu spielen“

Andrea Sawatzki – Schauspielerin, Hörbuch- und Synchronsprecherin, Bestsellerautorin, Ehefrau und Mutter – eine echte Powerfrau

Andrea Sawatzki gehört zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen. So spielte die 57-Jährige unter anderem von 2002 bis 2010 die Tatort-Kommissarin Charlotte Sänger, für diese Rolle bekam sie im Jahr 2005 den Grimme-Preis. Längst hat sie sich auch als Autorin einen Namen gemacht, ihre vier Romane rund um die Familie Bundschuh wurden allesamt Bestseller und – mit ihr selbst in der Rolle der Gundula Bundschuh – verfilmt. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Schauspieler Christian Berkel, engagiert sie sich bereits seit vielen Jahren ehrenamtlich als Botschafterin für die Stiftung „Ein Platz für Kinder“.

Wir erreichen Andrea Sawatzki Ende Oktober kurz vor einer Lesung in Gera, der zunächst letzten vor dem für den Monat November beschlossenen coronabedingten Lockdown.

RRM: Frau Sawatzki, wie sind Sie bisher durch die Corona-Zeit gekommen? Sicher gab es viele Einschränkungen und lange Drehpausen.

Andrea Sawatzki: Das stimmt, im Frühjahr wurden viele Lesungen abgesagt und Dreharbeiten unterbrochen. Wir waren viel zu Hause. Mein Mann und ich haben die freie Zeit zum Schreiben genutzt, er hat seinen Roman „Ada“ zu Ende geschrieben und ich den fünften Bundschuh-Roman. Ab Juni habe ich dann – unter Corona-Bedingungen – wieder gedreht. Man wird zweimal wöchentlich getestet und darf an den Wochenenden nicht nach Hause fahren. Ich bin froh, dass bisher alles gut gegangen ist und sich niemand infiziert hat.

RRM: Im Dezember sind Sie in zwei Filmen im Fernsehen zu sehen, am 20.12. in „Schneewittchen am See“ und am 21.12. in „Familie Bundschuh im Weihnachtschaos“ – wie liefen die Dreharbeiten?

Andrea Sawatzki: Der Bundschuh- Film wurde schon im Dezember letzten Jahres gedreht, da war die Welt noch in Ordnung, Schneewittchen dann tatsächlich im Juni unter den beschriebenen Corona-Bedingungen, aber das trotzdem gut geklappt.

„Familie Bundschuh im Weihnachtschaos" - Gundula (Andrea Sawatzki) und ihr Mann Gerald (Axel Milberg). Foto: ZDF/Volker Roloff

RRM: Sie sagten eben, dass Sie die Drehpause zum Schreiben genutzt haben – stimmt es, dass im nächsten Frühjahr ein neues Buch herauskommt? – Worum geht es?

Andrea Sawatzki: Ja, das ist richtig. Es ist der fünfte Bundschuh-Roman und erscheint im März. Der Titel lautet „Woanders ist es auch nicht ruhiger“. Die Familie Bundschuh wohnt in der Einflugschneise des BER, und weil es dort so laut ist, wird eine neue Bleibe gesucht. Gerald ersteigert einen Vierseithof in Brandenburg, und die ganze Familie zieht dorthin – es wird also auf jeden Fall wieder chaotisch.

RRM: Sie spielen, Sie schreiben, zwischendurch sprechen Sie Hörbücher ein – wie vereinbaren Sie das mit dem Familienleben? Als Ihre Kinder kleiner waren, war das sicher oft nicht einfach – insbesondere, wenn Sie wegen Dreharbeiten nicht zu Hause waren.

Andrea Sawatzki: Heute sind die Kinder ja erwachsen, da ist das kein Problem mehr. Aber als sie klein waren, haben mein Mann und ich versucht, möglichst abwechselnd drehen, damit immer einer von uns zu Hause war. Außerdem hat meine Mutter uns geholfen, und die Töchter von Freunden haben gern als Babysitter ausgeholfen. Klar war das manchmal eine Herausforderung, aber irgendwie hat es immer funktioniert.

Mit ihren Kollegen Maria Ehrich (Mitte) und Jürgen Tarrach drehte Andrea Sawatzki im Sommer 2020 in Brandenburg den märchenhaften Herz­ kino­Film „Schneewittchen am See“. Foto: ZDF/Boris Laewen

RRM: Sind Sie ein Organisationstalent?

Andrea Sawatzki: Ich glaube, das bin ich mit der Zeit tatsächlich geworden. Und heute macht mir das Organisieren sogar Spaß, und ich freue mich, wenn es klappt.

RRM: Sie sind eine sehr vielseitige Schauspielerin – welche Rollen spielen Sie am liebsten?

Andrea Sawatzki: Ich liebe es einfach zu spielen, dabei ist es mir egal, ob es sich um einen Thriller oder eine Schwarze Komödie handelt. Beides hat für mich einen ähnlichen dramatischen Ansatz, denn es ist immer eine Herausforderung, eine Rolle mit Leben und Herz zu füllen.

RRM: Spielen oder schreiben Sie lieber?

Andrea Sawatzki: Ich spiele lieber, obwohl ich beim Schreiben natürlich sehr frei bin und meine Figuren dahin bringen kann, wo ich sie haben möchte. Und das Schreiben über die Bundschuhs macht besonders viel Freude, weil ich bei allen Figuren die Schauspieler vor Augen habe.

RRM: Haben Sie sich von Anfang an in der Rolle der Gundula gesehen?

Andrea Sawatzki: Ja, in gewisser Weise schon. Ich wollte damals einen Roman über eine Frau in meinem Alter und mit ähnlichen Herausforderungen schreiben – auf jeden Fall ist mir die Gundula schon sehr nahe.

„Sportabzeichen für Anfänger“ Andrea Sawatzki und Christian Berkel standen ge­ meinsam für ARD Degeto vor der Kamera. Foto: ARD Das Erste

RRM: Man hört und liest immer wieder, dass es zu wenig gute Rollen für Schauspielerinnen jenseits der 50 gibt. Empfinden Sie das auch so? Gab es in Ihrem Leben Zeiten, in denen Sie sich aktiv um Rollen bemühen mussten?

Andrea Sawatzki: Ich bin zurzeit in der glücklichen Lage, genug zu tun zu haben. Aber klar, junge Schauspielerinnen sind schon mehr gefragt und oft durchgebucht. Ich meine aber, dass sich inzwischen schon etwas ändert, es gibt durchaus Frauen über 50 in Filmen, die eine Wirkung haben. Allerdings ist das Film- und Fernsehgeschäft nach wie vor von Männern dominiert, es gibt einfach mehr Rollen für Männer als für Frauen.

Und ja, ich hatte durchaus auch Durststrecken und Phasen, in denen mal drei Monate lang kein Angebot kam. Das darf man aber nicht persönlich nehmen und nicht zu sehr an sich heranlassen. Ich habe übrigens während einer solchen Durststrecke begonnen zu schreiben.  Mein Rat an junge Kolleginnen lautet deshalb, dass man nicht an sich zweifeln sollte, sondern durchhalten und schauen, was man sonst noch so kann.

RRM: Auch soziales Engagement ist Ihnen wichtig – warum haben Sie sich für die Stiftung „Ein Platz für Kinder“ entschieden?

Andrea Sawatzki: In meinem ersten und dritten Roman habe ich mich mit unverarbeiteten Kindheitstraumata beschäftigt. Das ist ein sehr wichtiges Thema für mich. Die Stiftung kümmert sich um Kinder im Alter von bis zu zwölf Jahren, die Gewalt, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch erlitten haben. In großen Städten baut sie Schutzhäuser, in denen bis zu 15 missbrauchte und misshandelte Kinder Unterschlupf finden und professionell betreut werden. Je eher den Kindern geholfen wird, desto besser, denn sonst schaffen sie es kaum, sich in die Gesellschaft zu integrieren.

Andrea Sawatzki als Schirmherrin der Stiftung „Ein Platz für Kinder“ (Spendenkonto: IBAN DE60 2007 0000 0067 6767 00). Foto: Stiftung „Ein Platz für Kinder“

RRM: Was sind Ihre Aufgaben als Botschafterin?

Andrea Sawatzki: Ich bin bei den Eröffnungen der Häuser dabei, zudem akquiriere ich Spenden und versuche, auf die Stiftung aufmerksam zu machen.

RRM: Sie sind eine Powerfrau – wie halten Sie sich denn fit und wie schalten Sie ab?

Andrea Sawatzki: Ich bin am liebsten zu Hause, zusammen mit meiner Familie und – wenn es wieder möglich sein wird – mit Freunden. Bei der Arbeit in unserem großen Garten oder beim Joggen kann ich prima abschalten, außerdem koche ich gern. Und wir haben einen jungen Hund, den ich erziehe.

RRM: Gibt es Zukunftspläne?

Andrea Sawatzki: Im kommenden Jahr werde ich sehr viel drehen und bin ziemlich ausgebucht. Außerdem schreibe ich an einem neuen Roman, der im Frühjahr 2022 erscheinen soll. Kein Thriller, aber es geht um ein ernstes Thema.

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